Schubert & Kollegen

Arbeitszeiterfassung ist Pflicht!

Ab sofort!

Für (fast) alle!

In Deutschland besteht ab sofort eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. 

Die gesamte Arbeitszeit muss ab sofort dokumentiert werden. Um dieser Pflicht nachzukommen, müssen Arbeitgeber ein objektives, verlässiges und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung in ihrem Unternehmen einführen.

 

Das Bundesarbeitsgericht entschied am 13. September 2022: Die Pflicht zur umfassenden Arbeitszeiterfassung gilt für alle Unternehmen, ohne Ausnahmen.

Die BAG-Entscheidung stützt sich auf das Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Mai 2019. Nach dem Stechuhr-Urteil müssen sämtliche Arbeitsstunden lückenlos und systematisch dokumentiert werden, mit Anfangs- und Endzeiten sowie Pausen.

Bis jetzt konnte die Arbeitszeit auch manuell erfasst werden, etwa mittels einer Excel-Tabelle oder etwa auch mittels einer digitalen Zeiterfassungssoftware. Eine manuelle Dokumentation der Arbeitszeit mit einer Excel-Tabelle kann allerdings leicht manipuliert werden und stellt kein verlässliches System zur Zeiterfassung dar.

 

Auch wenn die Entscheidung des BAG für Arbeitgeber in Deutschland, insbesondere auch mit Blick auf Vertrauensarbeitszeit problematisch erscheint, und sicherlich viele Arbeitgeber in Bezug auf die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems unter gewissen Druck setzt, sollten zum jetzigen Zeitpunkt noch keine übereilten oder schlecht geregelte Entscheidungen im Hinblick auf arbeitsvertragliche Ausgestaltung und Einführung getroffen werden.

Denn Vertrauensarbeitszeit bedeutet für den Arbeitnehmer ein flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten eigenverantwortlich planen und dafür sorgen, dass sie das mit ihrem Arbeitnehmer vereinbarte "Zeitvolumen" der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfüllen. Hierbei sind die Rahmenbedingungen des Arbeitszeitgesetzes wie bisher einzuhalten. Ändern wird sich der Kern der Vertrauensarbeitszeit: der Verzicht auf Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Mitarbeiter mit Vertrauensarbeitszeit. Denn dieses lässt sich kaum mit den neuen Erfassungspflichten vereinen. Die Flexibilität der Vertrauensarbeitszeit bleibt zwar bestehen, die Vertrauenskomponente wird jedoch in Zukunft um Dokumentation ergänzt. Dieses gilt auch - und gerade - im Homeoffice. Die Vorgaben zur täglichen Höchstarbeitszeit und zu Pausen- und Ruhezeiten sind auch bei mobiler Arbeit einzuhalten und zu dokumentieren. (Das BMAS plant einen neuen Rechtsrahmen bezüglich mobiler Arbeit, dieses wird allerdings nicht vor 2023 erfolgen.)

 

Fazit ist somit, dass der Arbeitgeber dafür verantwortlich ist, die geltenden Gesetze einzuhalten und dass er verpflichtet ist, seinen Betrieb dahingehend (neu) zu organisieren, dass die Arbeitszeiten der Mitarbeiter vollständig dokumentiert werden. Diese Pflicht ergibt sich unmittelbar aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz.


Für wen gilt die Zeiterfassungspflicht?

Nach der Entscheidung des BAG besteht die Verpflichtung des Arbeitgebers, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen und zu verwenden, für alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Von der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen sind damit leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG, also insbesondere Führungskräfte, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung berechtigt sind oder eine auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutende Prokura haben. 

Von der Verpflichtung zur Arbeitszeit ausgenommen sind alle in § 18 Abs. 1 ArbZG genannten Personengruppen. Dies sind:

 

- leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes, 

- Chefärzte,

- Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter,

- Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegen-  

 heiten befugt sind,

- Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenle 

 ben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen,

- der liturgische Bereich der Kirchen und der Religionsgemeinschaften.

 

Wie ist zu erfassen?

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung trifft zunächst die Arbeitgeber, diese müssen laut Beschluss des BAG: 

 

-Lage; 

 

-Beginn;

 

-Dauer und Ende der Arbeitszeit tatsächlich erfassen.

 

Die bloße Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems reicht nicht aus. Konkret bedeutet dies, dass die genaue Uhrzeit des Anfangs und das Ende der Arbeit notiert werden müssen. Eine pauschale Notiz, dass ein Beschäftigter acht Stunden gearbeitet und 30 Minuten Pause gemacht hat, reicht somit nicht aus.  

 

Die Zeiterfassung muss nicht elektronisch erfolgen, auch ist nicht nur der Arbeitgeber alleine für die Arbeitszeiten für jeden einzelnen seiner Beschäftigten verantwortlich und muss diese nicht individuell notieren. Es darf die Zeiterfassung an die einzelnen Mitarbeiter übertragen. Der Arbeitgeber muss jedoch Vorgaben machen, wie z.B. ein Dokument vorbereiten, in das die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten eintragen können. Weiterhin muss der Arbeitgeber kontrollieren, dass die Arbeitszeiten dokumentiert werden. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass alle Arbeitszeiten korrekt eingetragen wurden, sondern muss dies überprüfen. Wichtig ist, dass die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten überprüfbar ist. Wie Unternehmen dies überprüfen wollen, ist ihnen freigestellt, hier haben sie einen Gestaltungsspielraum.

 

Ab wann gilt die Pflicht zur vollständigen Erfassung?

Die Verpflichtung zur Einführung Arbeitszeiterfassungssystems gilt ab sofort. Eine Übergangsfrist gibt es nicht.

 

Was gilt bei Verstößen?

Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG in Form der Nichteinführung eines Arbeitszeiterfassungssystems ist nicht unmittelbar bußgeldbewehrt. Allerdings kann die zuständige Arbeitsschutzbehörde in diesem Fall eine vollziehbare Anordnung erlassen, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, § 22 Abs. 3 ArbSchG. Verstößt der Arbeitgeber hiergegen, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld i.H.v. bis zu EUR 30.000 geahndet werden kann (§ 25 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 ArbSchG).

 

Bitte behalten Sie dieses Thema im Auge und informieren sich z.B. auf www.bmas.de.

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